«So etwas wie Gratis-Fernsehen gibt es heute nicht»
Der Swisscom-Chef erklärt, dass man das Kabelfernsehen trotz Bluewin TV behalten kann.
Mit
Carsten Schloter sprach Angela Barandun
Die Deutsche Telekom hat sich mit ihrem Fernsehangebot blamiert. Graut Ihnen davor, etwas Ähnliches zu erleben?
Das würde es nur, wenn wir mit einem solchen Szenario rechnen müssten. Uns kann das aber nicht passieren.
Wieso?
Wir starten erst, wenn unser Produkt überzeugt. Für die Strategie der Swisscom ist das viel wichtiger, als ein paar Monate früher zu kommen.
Darum hat Bluewin TV auch bereits über ein Jahr Verspätung.
Wer bei einem solchen Produkt nicht mit der richtigen Qualität startet, hat sofort ein Imageproblem. Das wird man nur mit einem riesigen Aufwand und nach langer Zeit wieder los. Das ist ein enormes Risiko.
Was ist denn am Fernsehen so speziell?
Fürs Fernsehen gibt es seit Jahrzehnten einen etablierten Massstab. Darum muss unser Produkt vom ersten Tag an neben dem Altbewährten bestehen können – und es funktionell übertreffen. Sonst ist es für die Kunden uninteressant. Bei neuartigen Produkten, wie bei Mobilfunkabos mit Stundentarifen, kann man viel eher etwas riskieren.
Das hätten Sie der Deutschen Telekom wohl erklären sollen.
Aus meiner Sicht ist die Telekom in einer ganz, ganz schwierigen Situation. Sie hat ihr Fernsehangebot bestimmt nicht freiwillig lanciert. Hätte sie verschoben, wäre auf Grund der Fussballrechte eine hohe Konventionalstrafe fällig geworden.
Trotz dem schlechten Start trifft die Deutsche Telekom auf die besseren Voraussetzungen als die Swisscom. In Deutschland hat sich das Bezahlfernsehen bereits durchgesetzt.
Das digitale Angebot der Kabelnetzbetreiber und das Bezahlfernsehen von Teleclub zählen erst wenige Kunden, das stimmt. Aber man darf den Kunden nicht anlügen: Jeder bezahlt fürs Fernsehen – ob nun bei uns oder bei einem Kabelnetzanbieter. Tatsache ist, so etwas wie Gratis- Fernsehen gibt es heute in der Schweiz nicht.
Der Grossteil der Kunden nimmt die Kabelanschlussgebühr nicht wahr, weil sie in den Mietnebenkosten enthalten ist. Darum fehlt den Schweizern auch die Bereitschaft, fürs Fernsehen zu bezahlen.
Stimmt. Das ist ein Problem, das wir angehen müssen. Unüberwindbar ist es nicht. Entscheidend wird sein, wie attraktiv unser Angebot ist.
Vor allem wohl, wie teuer.
Für uns ist Fernsehen nicht nur ein defensiver Akt. Es soll nicht nur dem Schutz unseres Breitbandanschlusses dienen – wir wollen auch Geld damit verdienen.
Und wie stellen Sie das an?
Wir wollen möglichst viele Kunden erreichen. Und da es unrealistisch ist, den Kabelnetzanbietern sämtliche Kunden abzugraben, werden wir auch jene ansprechen, die ihren Kabelnetzanschluss behalten wollen. Indem wir ihnen einen spezifischen Mehrwert bieten, den ihnen die Cablecom nicht bieten kann und für den sie zu zahlen bereit sind.
Was wäre das denn?
Video-on-Demand – also die Möglichkeit, einen beliebigen Film per Knopfdruck abzuspielen – ist sicher sehr interessant. Auch im Sportbereich kann man sich eine ganze Reihe von Pay-per-View Diensten vorstellen.
Das bedeutet, dass man pro Fussballspiel, das man sich anschaut, bezahlt anstatt für die gesamte Meisterschaft.
Genau. Es fällt keine monatliche Gebühr an, und man muss kein Sportpaket abonnieren, bei dem 80 Prozent der Sen- dungen gar nicht interessieren. Die Ausgaben fallen gezielt an. Das sind aber nur Beispiele, um zu zeigen, dass Kabelnetz und Bluewin TV nebeneinander existieren können.
Das setzt voraus, dass die Kunden bereit sind, weiterhin für den Fernseh- und den Telefonanschluss zu zahlen.
Vielleicht spielt uns hier die Tatsache in die Hände, dass die Kabelnetzgebühr nicht wahrgenommen wird.
Sie glauben also nicht, dass es nur noch einen Anschluss pro Haushalt geben wird?
Das hängt wohl davon ab, ob der Nutzen auf den beiden Infrastrukturen – TVKabel und Kupferdraht – wirklich derselbe ist.
Die Anschlussgebühren werden nicht verschwinden?
Nein, ich wüsste nicht, wie die Swisscom oder die Kabelnetzbetreiber ohne Anschlussgebühren den Ausbau der Netze vorantreiben könnten. Wenn eines sicher bleibt, dann sind das die Anschlussgebühren.