Mit Fussball und Eishockey gegen die Konkurrenz
Mit Liveübertragungen läutet Teleclub eine neue Fernsehsport-Ära in der Schweiz ein. Die Swisscom zahlt, alle sind glücklich.
Von
Daniel Germann
Wer wollte, der konnte den Start des FC Zürich in die Fussballsaison beinahe lückenlos live im Fernsehen verfolgen: Das Meisterschaftsstartspiel in Luzern und die Champions- League-Qualifikation gegen Red Bull Salzburg übertrug das Schweizer Fernsehen, vier der übrigen fünf Super-League-Spiele folgten auf dem Bezahlsender Teleclub. Einzig Schaffhausen Zürich war nicht live zu sehen.
Was für Zürich gilt, gilt auch für die Young Boys, den FC Basel oder Sion. Mit Verzögerung ist auch die Schweizer Fussballmeisterschaft zum Fernsehsportereignis geworden. Und es bleibt nicht beim Fussball. Ab dem Start der Eishockeymeisterschaft wird Teleclub pro Qualifikationsrunde vier der sechs Spiele übertragen. Das Playoff wird lückenlos abgedeckt. Das sind im Minimum 208 Spiele bis Ende Saison.
Hinter der geballten Sportoffensive steht die Swisscom, die vor zwei Jahren 49 Prozent an der Teleclub-Besitzerin Cinetrade AG übernommen hat. Wie viel sich das Telekommunikationsunternehmen das Sportengagement kosten lässt, will Konzernsprecher Sepp Huber nicht sagen. Es dürfte sich aber um einen zweistelligen Millionenbetrag handeln.
Bluewin-TV schliesst Lücke
Das strategische Ziel der Swisscom ist klar: Sie will die Kunden zurückholen, die in den letzten Jahren zur Cablecom abgewandert sind. Das Zauberwort dazu heisst «Triple Play», das gemeinsame Anbieten von Telefonie, Fernsehen und Internetverbindung. Die Cablecom ist seit mehreren Jahren in diesem Geschäft tätig. Die Swisscom bietet bisher Telefonie und schnelle Internetverbindungen (über ADSL) an. Mit Bluewin TV schliesst sie die Angebotslücke noch in diesem Herbst. Über diese Plattform will sie künftig gegen 100 Free-TV-Kanäle, Spielfilme auf Abruf und Livesport gegen Direktzahlung, so genanntes Pay Per View, anbieten.
Das aktuelle Teleclub-Angebot ist nur die Vorbereitung darauf. Das Abonnement inklusive Sportpaket kostet pro Jahr 600 Franken und ist entsprechend unpopulär. Bisher zählt Teleclub erst 40 000 Abonnenten. Wie sich das neue Sportangebot auf die Nachfrage auswirkt, will Teleclub erst nach einem Quartal bekannt geben. Gemäss Roger Feiner, der den Sport für den Teleclub aufbaut, haben sich aber die Neuanmeldungen verdoppelt. Aussagekräftig freilich ist das ohne konkrete Zahlen nicht.
Die Investitionen jedenfalls, welche die Cinetrade getätigt hat, lassen sich nicht annähernd refinanzieren, an einen Gewinn ist schon gar nicht zu denken. Wie defizitär das Fussballgeschäft in der Regel für TV-Sender ist, verdeutlicht das Beispiel von Sat 1 Schweiz: Gemäss Co-Geschäftsführer Christian Gartmann hat der Sender mit dem Schweizer Fussball in acht Jahren rund 50 Millionen Franken verloren. Deshalb zieht sich Sat 1 Schweiz Ende Saison aus dem Fussball zurück.
ARD braucht die Bundesliga
Sport allgemein und Fussball speziell aber sind ein unverzichtbarer Imageträger. Als Premiere, das deutsche Pendant zum Teleclub, im vergangenen Dezember die Übertragungsrechte der Bundesliga an Arena verlor, brach der Börsenkurs um die Hälfte ein. Als die ARD die Bundesligarechte in den 90er-Jahren an die Privaten verlor, fragte sich das Volk: Warum zahlen wir eigentlich noch Konzessionen? Die massgebenden Köpfe wie der Sendeleiter des Südwestrundfunks, Peter Voss, kamen zum Schluss: «Wenn die ARD mehrheitsfähig bleiben will, braucht sie auch grosse Fussballereignisse wie die Bundesliga.» Die Klubs reiben sich die Hände und kassieren ab dieser Saison insgesamt 645 Millionen Franken. Der Mechanismus ist in der Schweiz nicht anders, wenn auch auf massiv tieferem Preisniveau. Erste Profiteure der neuen Konstellation mit den Fernsehplänen der Swisscom sind der Fussballund der Eishockeyverband. Die Axpo Super League hat die 6,6 Millionen Franken, die sie von SRG (4,1) und Sat 1 (2,5) bisher erhalten hat, dank dem neuen Vertrag verdoppelt. Ein Klub kann pro Saison je nach Erfolg auf mehr als 1,5 Millionen hoffen. Im Eishockey garantiert der neue Fernsehvertrag jedem Nationalliga-A-Klub in der kommenden Saison Fixeinnahmen von 480 000 Franken.
43 Prozent fussballinteressiert
Das ist ein warmer Regen für die Vereine, die unter notorischem Geldmangel leiden. Niemand kümmert es im Fussballverband und bei der Cinetrade, dass es im Moment wahrscheinlich günstiger wäre, die paar Zuschauer auf dem Teleclub persönlich ins Stadion einzuladen. Keiner schrie im Eishockeyverband auf, als die SRG die Entschädigung für den neuen Fernsehvertrag um 20 Prozent auf rund 4 Millionen Franken kürzte. Die Cinetrade kompensiert diesen Ausfall problemlos.
Der Fussballverband darf der Entwicklung auf dem neuen Fern- sehmarkt gelassen entgegenblicken. Fussball ist Allgemeingut und wird immer eine TV-Plattform finden. Für das Eishockey aber gilt das nicht. In einer Umfrage, die Sat 1 Schweiz in Auftrag gab, bezeichneten sich 43 Prozent oder 3,1 der 7,2 Millionen Schweizer als fussballinteressiert. Eishockeyinteressiert sind nur 13 Prozent oder 936 000.
Urs Leutert, Sportchef SF und Leiter der Business Unit Sport, die alle drei Sprachregionen vereint, kam der neue Spieler auf dem Fernsehmarkt wohl nicht ungelegen. Er muss sein Geld künftig noch rigider einteilen und hat schon im Frühjahr angekündigt, weniger Eishockey live zu senden. Nun profitiert SF gleich dreifach von der neuen Konstellation: Dank den Bedürfnissen der Cinetrade werden künftig sämtliche sechs (statt normalerweise vier) Spiele mit neuerdings vier statt zwei Führungskameras produziert. Die Bilder stehen SF zur Zweitverwertung in den Magazinsendungen zur Verfügung. Und der zusätzliche Auftrag lässt erst noch zusätzliches Geld in die Kasse der SFTochter TPC fliessen.
Leutert konnte deshalb klaglos akzeptieren, dass die SRG im kommenden Playoff in Viertelfinal, Halbfinal und Final erst ab dem dritten Spiel und dann in allen drei Sprachregionen nur noch ein und dasselbe Spiel übertragen darf. Was das bedeutet, dessen sind sich im Moment die wenigsten Klubs bewusst: In der föderalistisch organisierten SRG droht das Szenario, dass Westschweizer und Tessiner die Deutschschweizer überstimmen und Ambri - Servette ins Programm drücken, während ZSC Davos auch im Playoff nur noch im Bezahlfernsehen zu sehen ist. Kaum zur Freude der betroffenen Klubs und ihrer Sponsoren.
Einbruch beim Skispringen
Zudem zeigt der deutsche Fernsehmarkt, wie schnell der Geldsegen versiegen und die Stimmung umschlagen kann: 2002 auf dem Höhepunkt der Euphorie um die deutschen Skispringer Sven Hannawald und Martin Schmitt, übernahm RTL die Rechte an der Vierschanzentournee für fünf Jahre und 105 Millionen Franken.
Mittlerweile ist Hannawald zurückgetreten, Schmitt hat den Anschluss verpasst, die Einschaltquoten sind eingebrochen, und bei RTL weiss man nicht mehr so recht, was man mit dem Event soll. Unwahrscheinlich, dass der Privatsender sich über 2007 hinaus engagiert. Ob dann ARD oder ZDF bereit sind, in die Lücke zu springen, ist fraglich. Sie haben gemerkt: Man kann auf alles verzichten, ausser auf Fussball.
Im Moment wäre es wohl günstiger, die paar Zuschauer auf Teleclub persönlich ins Stadion einzuladen.