
ras. Swisscom hat den Start ihres Bluewin-TV mehrmals verschoben. Den Glauben an die Potenz ihres Projekts stärkte dies nicht. Der nun kurzfristig am Mittwoch erfolgte Startschuss hat die Beobachter positiv überrascht. Zu Recht. Wenn Swisscom alles einlösen kann, was sie mit ihrem Angebot verspricht, stellt Bluewin-TV eine sehr ernsthafte Konkurrenz zu Cablecom dar. Wer beispielsweise bereits über einen Swisscom- Festnetzanschluss verfügt und sein analoges Cablecom-TV-Abonnement von der Wohnungsmiete abziehen kann, muss Bluewin-TV als relativ preisgünstige Alternative bezeichnen.
So oder so wird der Markteintritt von Swisscom eine heilende Wirkung ausüben. Er dürfte mehr erreichen, als dies der Preisüberwacher vermag, der seit langem mit Cablecom um Preis und Umfang der TV-Grundversorgung ringt. Unter Konkurrenzbedingungen werden die Preise sinken und die Serviceleistungen sich verbessern. Das beschleunigt den erwünschten Wechsel zum digitalen System und stärkt den Schweizer Medienstandort. Umgekehrt hat ja auch Cablecom mit dem Einstieg ins Breitband-Internet die Swisscom aufgescheucht, was den Internet-Nutzern bessere Dienste bescherte. Cablecom wiederum musste in den vergangenen Monaten schmerzliche Erfahrungen als bisher unangefochtener Transporteur von TV-Signalen sammeln. Die Verlegung fremdsprachiger Sender ins digitale Netz provozierte mannigfachen Protest.
Der Einstieg von Bluewin-TV bewirkte darüber hinaus einen bemerkenswerten Nebeneffekt. Jahrelang stritten sich Cablecom und der Bezahlsender Teleclub. Man ging bis zum Bundesgericht. Umkämpft waren dabei die Zugangsbedingungen zum Fernsehnetz von Cablecom. Mitte Oktober rauften sich die Kontrahenten plötzlich zusammen. Die drohende Konkurrenz durch Bluewin-TV dämpfte zweifellos die Streitlust. Wer im Wettbewerb bestehen will, muss nicht nur gute Dienste, sondern auch attraktive Inhalte bieten. Teleclub besitzt Rechte an zahlreichen Hollywood-Filmen und im Fussballbereich Ausstrahlungsrechte an der Super League. Cablecom benötigt also Teleclub, der wiederum eine möglichst breite Verbreitung anstrebt.
Es gibt weitere interessante Aspekte. Swisscom besitzt 49 Prozent der Aktien an Cinetrade, der Muttergesellschaft von Teleclub. Dass insofern Swisscom nicht nur als Verbreiterin von Programmen, sondern auch als Akteurin im publizistischen Bereich auftritt, löste bereits Anfang Jahr medienpolitisches Stirnrunzeln aus, als es um die Verlängerung der Konzession von Teleclub ging. Da Swisscom sich mehrheitlich in Bundesbesitz befindet, stand die Frage zur Diskussion, ob der Grundsatz der Staatsferne des Rundfunks gewahrt bleibe. Der Bundesrat sagte schliesslich Ja.
Dennoch: Medienpolitisch bleibt die Situation heikel. Swisscom bietet nun auch Sportereignisse zum Abruf an. Zusammen mit Teleclub gibt es für die SRG erstmals einen ernsthaften Konkurrenten im preistreibenden Kampf um Übertragungsrechte. Die schon lange geäusserte Befürchtung, dass kapitalkräftige Telekomfirmen in den Medienmarkt eindringen und die etablierten Akteure bedrängen, wird in der Schweiz jetzt ausgerechnet mit einem Betrieb in Staatsbesitz zur Tatsache. Als Medienfirma betätigt sich Swisscom aber auch im Internet, nämlich als Betreiberin der stark genutzten, auch durch Werbung finanzierten Website bluewin.ch. Da das angestammte Geschäft von Swisscom bröckelt, sieht sich der Telekombetrieb allerdings gezwungen, in neue Bereiche vorzustossen. Mit dem Start von Bluewin-TV werden nun zusehends Konturen der Konvergenz der Medienmärkte erkennbar. Als Folge wird die Lage zusehends unübersichtlicher.
Wer aber braucht überhaupt so viele Fernsehkanäle? 100 Fernsehkanäle und 70 Radiosender will Bluewin-TV in die Haushalte schicken. Doch bereits das jetzige TV-Menu, das dem Konsumenten über herkömmliche Kabelnetze gut 40 Programme beschert, steht unter dem Verdacht der Pseudo-Vielfalt. Eine aktuelle Studie belegt denn auch, dass trotz wachsendem Angebot die Fernsehnutzung schmalbandig bleibt. Der meistgebrauchte Sender befriedigt bereits ein Drittel des gesamten Fernsehkonsums; auf zwei Programme entfallen 50 Prozent, und zehn Kanäle decken schon fast den gesamten Bedarf ab.
Bringt also auch die Zukunft nur mehr vom selben? Nein. Mit steigender Angebotsmenge wachsen die Chancen, dass Bedürfnisse von Minderheiten besser bedient werden. Genau dies ermöglichen die digitalen Medienpakete von Swisscom und Cablecom. Mehr Sender in Kombination mit einem elektronischen Programmführer und einfacheren Aufzeichnungsfunktionen erlauben es dem Konsumenten, im medialen Dickicht seine Spezialinteressen gezielt zu verfolgen. Die Angebotsvermehrung wird dennoch keine Atomisierung des Medienkonsums bewirken. Künftig wird es weiterhin televisuelle Leithammel geben, welche den Markt massgeblich prägen. Doch werden wohl alle Akteure Einbussen hinnehmen müssen. Die Konkurrenz wird härter.
www.nzz.ch